Dienstag, 31. Oktober 2017

Fahrradgeber

Ich stehe gerne mit Rad und Tat zur Verfügung und gebe euch den Rat: Fahrt Rad!

Wir müssen das Rad zum Glück nicht neu erfinden, denn das hat Karl Drais schon vor 200 Jahren gemacht. Nach 7 Kilometern Jungfernfahrt kam er am Schwetzinger Relaishaus an und hätte sicherlich gesungen „Ja, mir san mim Radl da“, wenn das Lied damals schon jemand erfunden gehabt hätte. Aber immerhin war nun das Fahrrad erfunden.

Fahr-Rad. Was für ein komischer Name für ein neues Verkehrsmittel. Wie wenn die römischen Fuhrwerke 2.000 Jahren vorher nicht auch schon mit Rad gefahren wären. Vielleicht sagen die Schweizer deshalb statt Fahrrad lieber „Velo“. Was übrigens aus denselben Buchstaben besteht wie „Love“, also Liebe. Fahrrad und Liebe hängen scheinbar irgendwie miteinander zusammen (hat das Fahrrad deshalb einen Ständer? Gibt es deshalb so etwas wie einen „Passhöhen-Orgasmus“?). Aber muss man sein Fahrrad gleich lieben, um ein Fahrrad-Liebhaber zu sein? Und darf man es dann überhaupt noch fahren? Schließlich heißt es ja: Wer sein Rad liebt, der schiebt. Immer nur schieben macht natürlich genauso wenig Sinn, wie ein großes Rad zu drehen. Ein Fahrrad muss man fahren, das sagt doch schon der Name!

Dass das Fahrrad lange nicht in Mode war, erkennt man bereits an den furchtbaren Synonymen: Stahlross, Drahtesel, Eierschaukel. Und was sind laut www.duden.de häufige Adjektivverbindungen zu „Fahrrad“? Herrenlos, kaputt, rostig, klapprig. Hm. Da wollen wir besser nicht das Rad der Geschichte zurückdrehen in die autogerechten Nachkriegsjahrzehnte, als das Fahrrad quasi das fünfte Rad am Wagen war. Hätte, hätte, Fahrradkette… Wir blicken lieber in die Zukunft, die selbstverständlich dem emissionsfreien, sozialverträglichen und gesundheitsfördernden Fahrrad gehört. Kommt Zeit, kommt Rad. Die Zebra wird dann keine Straßenzeitung mehr sein, sondern eine Radwegzeitung. Und wir werden uns nur noch von gesunden Dingen ernähren, die mit „Rad“ beginnen: Radicchio, Radieschen, Radi.

Wortklauberisch könnte man ja behaupten, dass sich alle anderen Verkehrsmittel irgendwie vom Fahrrad ableiten. Die elektrische Eisenbahn? Fährt nur dank Fahrdraht. Klingt doch irgendwie nach „fahrt Rad!“. Das Auto? Ist ein Faradayischer Käfig. Also wie ein Fahr(r)ad, nur sitzt man halt im Käfig. Und wer sitzt schon gerne im Käfig – also rauf aufs Rad! Es ist schließlich besser, sich auf den Sattel zu schwingen als unter die Räder zu kommen.

Ja ok, Fahrdraht und Faraday sind weit hergeholt. Vielleicht hab ich einfach ein Rad ab. Aber lieber ein Rad abhaben als ein Rad geklaut kriegen! Ist das Rad erstmal geklaut, dann ist man ziemlich radlos. Und ein neuer Radweg ist mir allemal lieber als ein neues Rad weg.

Gottes Radwege sind natürlich unergründlich, aber ich bin mir sicher: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Fahrradweg!

Kommt Zeit, kommt Rad.
Dieser Artikel wurde in der Straßenzeitung Zebra (Ausgabe September 2017) veröffentlicht.
Der Kauf der Zebra lohnt sich meiner Meinung nach sowohl für Käufer (weil die Inhalte wirklich interessant sind) als auch für Verkäufer (weil sie einen Euro vom Verkaufspreis behalten dürfen und einen Zugang zu Arbeitswelt und sozialen Kontakten erhalten). Mehr Infos hier



Passend zum Thema unser Green Mobility-Fahrradvideo:

Dienstag, 3. Oktober 2017

Warum die Unabhängigkeit Kataloniens ein Blödsinn ist

90 Minuten lang hat Emmanuel Macron letzten Dienstag eine mutige Zukunft Europas skizziert. Mit einer europäischen Armee. Einer europäischen Finanz- und Wirtschaftsunion. Einer europäischen Asylbehörde. Klingt alles ziemlich vernünftig. Eine katalonische Armee wäre hingegen ein ziemlicher Blödsinn.

Katalonien ruft den katalanischen Staat innerhalb der Republik Spanien aus. Damit wird eine Spirale der Gewalt ausgelöst, die zwei Jahre später im Bürgerkrieg endet. Am Ende gibt es einen Diktator.

Das war 1934 (bis 1939). Aber Geschichte wiederholt sich ja bekanntlich. Und weil Katalonien mit dem seit 1978 gültigen Autonomiestatut unzufrieden ist (und eine Ausweitung 2010 aufgrund einer Klage der rechtskonservativen Partei von Mariano Rajoy gescheitert ist), begeht die stolze Teilrepublik jetzt die Dummheit, mit einer undemokratischen Abstimmung (oder wie sollte man eine verbotene Abstimmung ohne Wählerlisten sonst nennen?) ganz Spanien, wenn nicht gar die gesamte Europäische Union, ins Chaos zu stürzen. Statt einfach abzuwarten, bis Rajoy nichts mehr zu melden hat und in Madrid wieder eine vernünftige (sozialistische) Regierung regiert, regiert nun vermutlich bald die Anarchie. Aber damit kennt man sich in Barcelona ja aus: 1936-1939 war Katalonien Schauplatz der einzigen (zeitweise) geglückten anarchistischen Revolution in der Europäischen Geschichte. Sagt zumindest Prof. Wikipedia, der muss es wissen.

Katalonien ist bekanntlich nicht die einzige aufmüpfige spanische Teilrepublik. Who’s next? Wer hat noch nicht Unabhängigkeit, wer will nochmal? Galizien? Baskenland? Balearen? Kanaren? Sollen die dann alle EU-Mitgliedsländer und Euroländer werden? Das ist doch Schwachsinn! Können wir uns nicht einfach darauf einigen, dass in Zukunft die wichtigen Entscheidungen auf europäischer Ebene getroffen werden (und zwar von einem demokratisch gewählten Europäischen Parlament, nicht vom merkelesken Rat der nationalen Befindlichkeiten) und die für die einzelnen Regionen wichtigen Dinge direkt in den Regionen entschieden werden? Die Nationalstaaten, diese seltsame aus der globalisierten Zeit gefallene Erfindung des ausgehenden 19. Jahrhunderts, behalten eine wichtige Koordinations- und Kommunikationsfunktion, aber sie geben „Macht“ nach oben und unten ab, um Teil eines starken, glokalisierten Europas sein zu können. Ein Europa der Regionen, das nicht – wie sich das Volker Kauder wünscht – deutsch spricht. Und das nicht – wie es derzeit der Fall ist – französisch spricht. Sondern das auch flämisch, katalonisch und korsisch spricht und die Interessen ALLER Bürgerinnen und Bürger beherzigt und vertritt.

Liebe kack-konservative spanische Zentralregierung: Wenn Katalonien Stierkämpfe verbieten will, dann soll Katalonien Stierkämpfe verbieten dürfen. Und wenn das Baskenland eine Finanzautonomie hat, dann sollte das für Katalonien doch auch möglich sein. Lasst die Katalonier ihre Sprache lernen und lehren. Nehmt sie ernst. Und hetzt nicht bewaffnete Polizisten auf sie. Sie sind schließlich eure Landsleute. Und das sollten sie auch bleiben.

Alles andere wäre ein Blödsinn.


Ein Referendum mit der Wahl zwischen Pest und Colera? Letzteres liegt auf jeden Fall in Katalonien.

Dieser Artikel wurde zum ersten Mal im Battle of Blogs gepostet.